Andreas Braune, Matthias Reicherter
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Alternative Anlagen
Mehr Stabilität fürs Depot-A
Infrastruktur gilt unter den alternativen Anlageformen als robuste Assetklasse mit Langfristhorizont. Ein Expertengespräch über die Vorteile des Segments für das Eigendepot einer Sparkasse.

Herr Reicherter, welche Assets fallen unter alternative Anlagen?

Matthias Reicherter (Golding Capital Partners) : Eine wirklich einheitliche Definition gibt es am Markt noch nicht. Es geht um Alternativen zu den Anlagen in Aktien und Anleihen. In den meisten Fällen werden diese Anlagen nicht an den Wertpapiermärkten gehandelt.

In diesen Private Markets geht es nicht wie an den Börsen um das kurzfristige Traden, sondern es handelt sich um illiquide Langfristinvestments. Zu den Alternativen Investments zählen für uns Private Equity, Private Debt und Infrastruktur. Grundsätzlich könnte man auch Immobilieninvestments dazu zählen.

 

Dr. Matthias Reicherter
Matthias Reicherter, CIO, Golding Capital Partners: „Neben der langfristigen Orientierung zeichnet sich die Anlageklasse Infrastruktur insbesondere durch Stabilität und Robustheit, gerade auch vor dem aktuellen Covid-19-Hintergrund, sowie durch die Planbarkeit des Cashflows aus.“

Welche Rolle spielt darin das Anlagesegment Infrastruktur?

Reicherter: Infrastruktur ist eine Anlageklasse mit Langfristhorizont. Die Fonds in diesem Segment werden teils für zehn Jahre oder länger aufgelegt. Neben der langfristigen Orientierung zeichnet sich die Anlageklasse Infrastruktur insbesondere durch Stabilität und Robustheit, gerade auch vor dem aktuellen Covid-19-Hintergrund, sowie durch die Planbarkeit des Cashflows aus.

Des Weiteren verhält sich die Anlageklasse vereinfacht ausgedrückt wie eine Mischung aus Private Equity und Private Debt. Zum einen sind es Kapitalanlagen, deren Wert während der Anlagezeit deutlich steigen kann. Zum anderen gibt es wie bei Private Debt regelmäßige Ausschüttungen, mit denen Anleger rechnen können. Das Universum ist allerdings heterogen, sodass viele Bereiche des Rendite-Risiko-Spektrums abgedeckt werden können.

Warum steigt derzeit das Interesse an dieser Anlageform?

Reicherter: Grundsätzlich lassen das Niedrigzinsumfeld und die geringe Korrelation zu traditionellen Anlagen die Assetklasse Infrastruktur sehr attraktiv erscheinen. Laufende Ausschüttungen bei geringer Volatilität sind ein willkommener Ersatz für stark rückläufige Erträge aus dem Fixed-Income-Segment.

Außerdem ist Infrastruktur elementar für eine funktionierende Volkswirtschaft, denken Sie nur an Schulen, Krankenhäuser und Transportinfrastruktur wie Autobahnen, Energieerzeugung oder auch Telekommunikation.

Gleichzeitig bietet Infrastruktur Investitionen in das Wachstumssegment Nachhaltigkeit. Verschiedene Regierungsinitiativen wie der EU-Green-Deal und auch die Klimaziele der US-Regierung bereiten einen fruchtbaren Boden für ein zunehmendes Angebot an Transaktionen bei weiterhin hoher Nachfrage seitens der Investoren. Institutionelle Anleger haben hier die Möglichkeit, ihr Portfolio langfristig in stabile und nachhaltige Investments zu diversifizieren.

Darüber hinaus ist die Anlageklasse Infrastruktur verhältnismäßig gut durch die Covid-19-Krise gekommen. Die jüngsten Bewertungen in unseren Anlageprogrammen weisen kaum Schwankungen auf und verdeutlichen die Robustheit der Assetklasse.

Herr Braune, wie genau kennen Investoren die Projekte, in die sie investieren?

Andreas Braune (Depot-A-Manager, Sparkasse Mecklenburg-Schwerin): Gewiss können wir die Daten über die Einzelprojekte der Fonds, in die wir investieren, erhalten. Wir suchen jedoch zur Beurteilung dieser Investments ausgewiesene Berater wie Golding, die das Risiko der Einzelinvestments wesentlich besser beurteilen können.

Diese Investments sind international gestreut. Selbst wenn sie in Deutschland wären, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie gerade im Geschäftsgebiet der jeweils beteiligten Sparkasse liegen.

Es würde am Ziel des Investments vorbeigehen, wenn wir selber jedes Projekt eines Fonds in Regionen wie Nordamerika oder Australien verfolgen und bewerten wollten. Dies geschieht ungeachtet einer qualitativen Durchschau des Fondsmandates und unter Berücksichtigung der hohen Diversifikation im Infrastrukturportfolio.

 

Andreas Braune
Andreas Braune, Depot-A-Manager, Sparkasse Mecklenburg-Schwerin: „Das Risiko von Infrastrukturanlagen ist völlig anders als das von herkömmlichen verzinslichen Anlagen. Das ist für uns als Sparkasse sehr wichtig. Denn so wird das Gesamtportfolio wesentlich stabiler.“

Wie fügt sich das Segment Infrastruktur in Ihre Anlagestrategie Ihres Hauses ein?

Braune: Das Risiko von Infrastrukturanlagen ist ein völlig anderes als das von herkömmlichen verzinslichen Anlagen. Das ist für uns als Sparkasse sehr wichtig. Denn so wird das Gesamtportfolio wesentlich stabiler.

Welche Erfahrungen machen Sie mit Anlagen aus dem Infrastrukturbereich?

Braune: Die wichtigste Entscheidungsgrundlage für diese Anlagen ist, dass die Ertragschancen im Vergleich zum Risiko im angemessenen Verhältnis stehen. Jedes Teilrisiko wird einzeln bepreist und das schlägt sich im höheren Ertrag nieder.

Bei Bundesanleihen sprechen wir hingegen verstärkt vom ertraglosen Risiko. Wichtig ist zudem die Beteiligungsform. Wir bevorzugen Dachfonds, weil dabei eine äußerst starke Diversifizierung in bis zu 150 bis 200 Infrastrukturprojekte und damit einhergehend eine deutliche Risikominimierung stattfindet.

Welche Mindest- oder Maximalgrößen von Infrastrukturinvestments sind für ein Depot-A sinnvoll?

Reicherter: Die Eingangshürden sind relativ niedrig. Das geht los bei fünf bis zehn Millionen Euro. Natürlich gibt es Kunden, die wesentlich größere Beträge anlegen und eventuell dafür bei der Anlagepolitik mitgestalten wollen. Dann gibt es als Alternative zu den Dachfonds die Managed Accounts. Dabei können etwa geografische Strategien oder Risiko-Rendite-Präferenzen freier abgestimmt werden. Hier sprechen wir dann über Volumina ab 75 bis 100 Millionen Euro.

Welche relevanten Portfoliogrößen sollten Infrastrukturanlagen haben?

Reicherter: Das ist individuell sehr unterschiedlich. Pensionsfonds aus Kanada oder den Niederlanden haben teils zehn bis 25 Prozent ihres Kapitals in Infrastruktur investiert. In den A-Depots der Sparkassen ist das wesentlich geringer.

In Deutschland wird diese Anlageklasse zudem erst seit neun oder zehn Jahren überhaupt genutzt. Deswegen investieren Investoren hierzulande erst einmal kleinere Anteile. Wichtig ist aus unserer Sicht, hier stetig anzulegen.

Braune: Sparkassen haben ja recht unterschiedliche Größen, was ihr Depot-A-Volumen angeht. Zudem ist das zur Verfügung stehende Risikokapital unterschiedlich. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, in einer strategischen Asset Allocation eine Zielgröße des Infrastrukturinvestments zu bestimmen und diese dann schrittweise aufzubauen.

Gibt es Besonderheiten der Anlagen, etwa hinsichtlich der Aufsicht oder den Liquiditätsvorschriften?

Braune: Eine Hürde ist, dass Infrastrukturanlagen illiquide Produkte sind. Anleihen oder Aktien können wir an der Börse täglich kaufen oder verkaufen. Mit Infrastruktur binden wir uns langfristig.

In der Realität handeln wir allerdings auch nicht mit Anleihen börsentäglich, sondern halten viele Anleihen bis zur Fälligkeit. Es gibt letztlich keine pauschale Antwort für Sparkassen, sondern solche alternativen Anlagen müssen individuell geprüft werden.

Angesichts der hohen Bewertung vieler klassischer Anlagen und der verzweifelten Suche nach Renditen und Sicherheit wächst auch die Sorge um Fehlinvestments. Was verhindert, dass Infrastrukturinvestments die nächsten Sorgenkinder im Anlagebestand der Banken und Sparkassen werden?

Reicherter: Die hohe Streuung in den Dachfonds verhindert zunächst einmal, dass einzelne Projekte extreme Wirkungen für den Anleger entfalten. Infrastrukturinvestments sind auch weniger abhängig von der Konjunktur. Eine Autobahn wirft Erträge durch ihre Verfügbarkeit ab, nicht durch die Auslastung.

Es ist sicherlich nötig, eine gute Analyse und Selektion für die Fonds durchzuführen, da nicht jedes Projekt für die Bedürfnisse der Anleger geeignet ist. Core-Anleger wollen beispielsweise eher in ein Public Private Partnership wie eine Schule investieren als in einen privaten Schiffshafen. Bei dieser Auswahl sehen wir unsere Expertise.

Andreas Braune ist Depot-A-Manager bei der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin.

Dr. Matthias Reicherter ist Chief Investment Officer (CIO) bei Golding Capital Partners.

 

Hintergrundinformation

Infrastruktur-Projekte können anhand des Rendite-Risiko-Profils in drei Klassen eingeteilt werden:

  • Core: Projekte mit staatlichen oder langfristigen Abnahmeverträgen wie Public Private Partnerships (Projekte mit öffentlicher Hand als Vertragspartner), Schulgebäude, Verwaltungsgebäude, Straßen, Brücken, Wind- und Solarenergie
     
  • Core Plus: Projekte mit mittelfristigen oder regulierten Abnahmeverträgen wie Stadtwerke, Energieerzeugung (konventionell), Biomasse, Elektrizitätsnetze, Versorgungspipelines, Wasserwerke
     
  • Value Add: Unternehmen und Projekte mit höheren unternehmerischen Risiken wie Telekommunikation, Energiedienstleistungen, neue Energietechnologien, Müllentsorgung und Deponien, Flug- und Seehäfen
(Bild oben: Shutterstock, SFG, privat)
– 4. Oktober 2021