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KI-Corner 09/20
Besser prüfen mit KI
Banken und Sparkassen haben ein umfangreiches Prüf- und Berichtswesen. Der KI-Einsatz verbessert nicht nur manche Prüfungshandlung, sondern erhöht auch deren Effizienz. Mitarbeiter werden von Routinetätigkeiten entlastet und können sich auf komplexere und relevantere Prüfvorgänge konzentrieren.

Im Bereich der Wirtschaftsprüfung finden Big Data Analytics, Data Mining und Text Mining, Process Mining sowie Robotics und Prozessautomatisierung (RPA) Anwendung. Der Einsatz von KI-Technologien (KI) kann die Prüfungsqualität steigern, weil Anomalien und Muster besser feststellbar sind. Ferner lässt sie sich steigern, weil sich durch die tiefgehende Analyse des Geschäftsfelds und der Prozesse des Mandanten beziehungsweise der zu prüfenden Sparkasse die jeweilige Lage klarer beurteilen lässt.

Vor allem bei der Auswertung großer und komplexer Datenmengen sind KI-Technologien mittlerweile so fortgeschritten, dass sie dem Menschen in Teilbereichen überlegen sind. So können durch den KI-Einsatz deutlich mehr Daten sowie schneller und mit weniger Fehlern bearbeitet werden.

Jede Rechnungsprüfung dürfte künftig deutlich geringer von Mensch-zu-Mensch-Interaktionen im Zusammenhang mit stark repetitiven und regelbasierten Aufgaben gekennzeichnet sein. Durch Schnittstellenwerkzeuge lassen sich Informationen in Echtzeit mit dem/den KI-Werkzeug(en) des externen Prüfers austauschen. Dieser kann sich auf die Analyse von Anomalien oder komplexe Fragestellungen konzentrieren anstatt auf Standardprüfungshandlungen.

In diesem Szenario könnten KI-Anwendungen ungewöhnliche Transaktionen identifizieren und gleichzeitig relevante Normen (Buchführungs-, Offenlegungs-, Prüfungs- oder Regulierungsstandards), ähnliche historische Situationen oder Ergebnisse aus öffentlich zugänglichen Quellen (einschließlich Analysen aus Benchmarking der Branche) verarbeiten.

Mit Natural Language Processing (NLP) lassen sich darüber hinaus in Verbindung mit KI-Technologien Sitzungsprotokolle oder wichtige Mitteilungen analysieren. Prüfer werden dadurch dabei unterstützt, zusätzliche Risiken zu identifizieren. Zugleich ergibt sich eine gute Grundlage, weitere Prüfungsangelegenheiten zu erörtern.

Folgende Ausführungen erläutern exemplarische Einsatzmöglichkeiten von KI anhand des Phasenmodells zum Prüfungsablauf (vergleiche Abbildung 1 in Anlehnung an DIIR-Arbeitskreis MaRisk 2016).

Planung und Prüfungsvorbereitung

Natural Language Processing (NLP) in Verbindung mit KI-Technologien ermöglicht das Auswerten von Informationen aus öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen. Dadurch kann ein Prüfer den Jahresbericht eines Unternehmens, behördliche Einreichungen, Telefonabschriften mit Investoren, Webseiten, Satzungen oder Sitzungsprotokolle scannen und daraus ein kohärentes Gesamtbild über das zu prüfende Unternehmen erstellen.

Aufbauend auf dem Wissen über ähnliche Kunden und -branchen könnten KI-Technologien relevante Risikokriterien wie häufige Falschaussagen vorschlagen, die für bestimmte Bilanzpositionen, Schwerpunktbereiche von Analysten oder Entwicklungen in der Rechnungslegung identifiziert worden sind.

Mit KI-Systemen lassen sich ferner Anomalien in der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung über einen bestimmten Zeitraum unter Berücksichtigung von Branchentrends, Geschäftszyklen und anderen relevanten Faktoren feststellen.

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist, routinemäßige Transaktionsflüsse für bestimmte Geschäftseinheiten und Bilanzpositionen zu selektieren und zu visualisieren. In Verbindung mit einem KI-gestützten Transaktions-Mapping können darüber hinaus routinemäßige Transaktionsflüsse für bestimmte Geschäftseinheiten und Bilanzpositionen und Ausreißer-Transaktionen identifiziert werden, die nicht dem normalen Geschäftsverlauf folgen, oder neue Produkte und Dienstleistungen, die zuvor noch nicht geprüft worden sind.

Die Visualisierung der Transaktionsabbildung erhöht bei den Prüfern zugleich das Verständnis für die zugehörigen Geschäftsprozesse. Weitere Daten wie Ergebnisse der gesetzlichen (oder internen) Prüfung, Informationen über Niederlassungen und geografische Standorte einzubeziehen, helfen dem Prüfer, mögliche Risiken zu erkennen.

Der Einsatz von KI-Lösungen ist nicht trivial. Eine zentrale Herausforderung ist dabei die Identifikation und Spezifikation zuverlässiger Datenquellen, Sites oder Ordner, sowie das Training und die Ausrichtung des Werkzeugs hinsichtlich Umfang und Format des Datenbestands.

Beim Sammeln von Informationen über die Branche benötigt das Tool auch eine erste Orientierungshilfe darüber, wer die „Peer-Group“ des Unternehmens ist (zum Beispiel Inland versus weltweit, Branche, Einbindung in die Lieferantenkette oder Positionierung gegenüber Wettbewerbern).

KI benötigt Daten über einen bestimmten Zeitraum (Tag/Woche/Monat/Jahr), um den „normalen“ Geschäftsablauf abzubilden. Die erforderliche Zeitdauer hängt von der Häufigkeit der Transaktionen ab (für Transaktionen mit größerer Häufigkeit werden historische Daten über einen kürzeren Zeitraum benötigt).

Änderungen im Prozess müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden, da dies nach der Implementierung zu einem neuen „normalen“ Geschäftsverlauf führen könnte. Der Prüfer wird einen Ansatz zur Bewertung von bemerkenswerten Posten oder Ausreißern entwickeln müssen, um festzustellen, ob sie ein Risiko wesentlicher Falschangaben enthalten.

Dies kann zunehmend schwieriger werden, wenn die Zahl der bemerkenswerten Posten oder Ausreißer zunimmt. KI-Instrumente können das Auftreten falsch-positiver Ergebnisse und die Zahl der identifizierten Ausreißer verringern.

Prüfungsdurchführung

Im Rahmen der Prüfungsdurchführung können KI-Anwendungen standardisierte Verträge (zum Beispiel Kredit- oder Leasing-Verträge) prüfen. Ziel ist die Identifizierung und Zusammenfassung von Standard- und Nicht-Standardbedingungen in einem Vertrag.

NLP in Verbindung mit KI ermöglicht die Extraktion von Vertragsmerkmalen, um anschließend den Vertragsbestand zu analysieren. Dieser Ansatz ist vorteilhafter gegenüber anderen regelbasierten Robotic-Process-Automation-Systemen (RPA-Systemen), wenn die Eingaben in einer Reihe unterschiedlicher Formate und Inhalte vorliegen.

Zum Beispiel kann ein Vertrag mehrere Daten auf dem Dokument haben (Vertragsdatum, Datum der Unterzeichnung, Datum der Fälligkeit, Zinszahlungen etc.). Eine KI-Anwendung kann die verschiedenen Daten identifizieren und interpretieren und das/die für die Prüfung zu verwendende(n) Datum(e) bestimmen.

Der Nachteil: Die meisten eingesetzten KI-Modelle sind eine „Black Box“. Meist kennen nur Entwickler und Fachexperten die Funktionsweise der implementierten Analysemodelle und wissen, wie die KI-Systeme Ergebnisse ableiten. Diese als sogenannte „Black-Box“ bezeichneten Lösungen gibt es vor allem bei Deep-Learning-Ansätzen in neuronalen Netzen.

Prüfer müssen die von KI-Systemen abgeleiteten Ergebnisse vollständig verstehen können. Die Unfähigkeit der KI, ihre Argumentation den menschlichen Benutzern zu erklären, ist eine wesentliche Hürde für einen breiten Einsatz von KI in der Wirtschaftsprüfung. Dies ist Gegenstand von erklärbarer KI beziehungsweise Explainable AI (XAI).

Im Rahmen der Inventurprüfung kann eine KI-basierte Anwendung Bilder von Artikeln in einem Lager identifizieren und hinsichtlich Menge und Umschlag analysieren. In Verbindung mit den in den ERP-Systemen gespeicherten Protokolldaten lassen sich weiterführende Analysen erstellen.

Mit KI-Systemen lassen sich auffällige Punkte oder Ausreißer schnell identifizieren und können vom Prüfer nachverfolgt werden. Der Einbezug weiterer Metadaten kann Kontrollprüfungen weiter verbessern. Zum Beispiel enthalten die vom System aufgezeichneten Kontrollnachweise in der Regel den Namen des Prüfers (Benutzer-ID), Datums- und Zeitstempel.

KI-Tools können analysieren, wie viele Überprüfungen eine Person typischerweise durchführt und wie häufig und wie lange sie normalerweise dauert sowie wie viel Zeit seit der letzten Überprüfung vergangen ist. In Kombination mit OCR-Werkzeugen lassen sich Belege sogar inhaltlich prüfen.

Mit KI-Anwendungen lassen sich ferner Nebenbucheinträge mit externen Bestätigungen (zum Beispiel Bank- oder Schuldnerbestätigungen) oder andere relevante geeignete Prüfungsnachweise lesen und kreuzweise validieren. Der Prozess ist einfacher, wenn die Dokumente in standardisierten Formaten vorliegen. Dies verbessert gleichzeitig das maschinelle Lernverfahren.

Ein weiterer Anwendungsbereich von KI ist die Simulation zur Prüfung von Schätzungen und Prognoserechnungen. Beispielsweise hat das Management bei der Schätzung der Wahrscheinlichkeit der Nichtrückzahlung eines Schuldners oder der Wertberichtigung uneinbringlicher Forderungen eine Rate festgelegt. Mithilfe eines KI-Systems lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit auf der Grundlage historischer Forderungsausfälle vorhersagen.

Durch ein laufendes Training des Modells verbessert sich im Zeitablauf die Ergebnisqualität und ermöglicht die sukzessive Berücksichtigung weiterer relevanter Faktoren wie Zinssatzbewegungen oder Kundenbonität. Diese Faktoren einzubeziehen, könnte auch die Bestimmung einer unabhängigen Schätzung des erwarteten Verlusts zum Vergleich mit der Schätzung des Managements ermöglichen.

Berichtserstellung

Der Prozess einer abschließenden Berichtserstellung bietet weitere Einsatzmöglichkeiten von KI. Anstatt standardisierte Vorlagen zu nutzen, kann eine KI-Anwendung aus den vorliegenden Informationen einen Bericht als Entwurf generieren. Dabei könnte gleichzeitig ein inhaltlicher Abgleich erfolgen – etwa eine Zusammenfassung bereinigter und nicht bereinigter Falschaussagen sowie aggregierter Kontrollmängel.

Fazit

Künstliche Intelligenz (KI) in der Abschlussprüfung eröffnet neue Möglichkeiten und Vorteile. Sie kann die Effizienz steigern, die Produktivität durch Automatisierung erhöhen und die Qualität der Prüfungsergebnisse erhöhen.

Mit der Kombination aus heutiger Rechenleistung, maschinellem Lernen und KI-fähigen Prüfungswerkzeugen können umfangreiche Datenmengen analysiert werden, um Anomalien zu finden und Erkenntnisse, Muster und Beziehungen zu identifizieren, die für einen Menschen nicht ohne Weiteres erkennbar sind.

Es bedarf jedoch menschlicher Einsicht und Erfahrung, um den Output zu verstehen, um festzustellen, ob die Informationen eine echte Anomalie darstellen und, was noch wichtiger ist, um zu bestimmen, was die Anomalien, Einsichten oder Muster im Gesamtkontext implizieren.

Literatur

  1. DIIR Arbeitskreis MaRisk (2016): Online-Revisionshandbuch für die Interne Revision in Kreditinstituten: Startseite: www.diir.de/fileadmin/fachwissen/downloads/Online-Revisionshandbuch_final_Stand_20161107.pdf (Zugriff: 5. September 2020).
  2. Marten, Kai-Uwe/Harder, Rafael (2019): Digitalisierung in der Abschlussprüfung. Experteninterviews auf explorativer Basis. In: Die Wirtschaftsprüfung. (14): 761–768.
  3. Seufert, Andreas/Engelbergs, Jörg/von Daacke, Matthias/Treitz, Ralf (2018): Controlling im Zeitalter der digitalen Transformation. Implikationen aus der Forschung. In: Gleich, Ronald/Tschandl, Martin (Hrsg.): Digitalisierung & Controlling. Technologien, Instrumente, Praxisbeispiele. Freiburg et al.: Haufe: 223–238.
  4. Yao, M., Zhou, A. and Jia, M. (2018): Applied Artificial Intelligence:A Handbook for Business Leaders. USA: TopBots.

Autor
Prof. Dr. Dirk Neuhaus, MBA ist Professor für Informationssysteme in Finanzdienstleistungsunternehmen an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe in Bonn und forscht auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz.

Prof. Dr. Dirk Neuhaus
– 24. September 2020