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Inside „Digitale Agenda 2.0“-Podcast / 5 Fragen an...
„Ein Must-have für jeden Personalauswahlprozess“
Prof. Martin Kersting, Professor für Psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen, und Manfred Wiesinger, Bereichsleiter Medialer Vertrieb, Marketing und Innovationen der Berliner Sparkasse, über die Frage, wie Sparkassen digital kompetente Mitarbeitende rekrutieren.

Welche Eigenschaften besitzt aus Ihrer Sicht eine digital kompetente Person?
Manfred Wiesinger: Ich glaube, man kann Digitalkompetenz ganz gut auf die Frage „will jemand digital sein?“ herunterbrechen. Das lässt sich am folgenden Beispiel illustrieren: Wenn jemand Verbrennungsmotoren prinzipiell ablehnt, ist er sicherlich kein nativer Kfz-Mechaniker. Diese Logik lässt sich auch auf Digitalthemen übertragen – digital kompetente Personen erkennen den Vorteil der Digitalisierung für sich selbst.

Martin Kersting: Es gibt die Unterscheidung zwischen dem digitalen Mindset und dem digitalen Skillset. Die Skills sind relativ leicht zu überprüfen und in der Eignungsdiagnostik einfach abzufragen. Zum Mindset gehören hingegen der Wille und die Offenheit für Veränderung. Dabei handelt es sich um eine grundsätzliche Einstellung beziehungsweise Wertevorstellung.

Ich glaube nicht, dass wir durch die Digitalisierung komplett neue Menschen geworden sind. Es war schon immer Aufgabe des Menschen, sich an die Umwelt anzupassen. Schon immer waren es die erfolgreichen Menschen, die sich an die Umwelt adaptiert und diese gestaltet haben.

Aus diesem Grund werden im Kontext der Digitalisierung keine völlig neuen Fähigkeiten gesucht, sondern schon immer wichtige Eigenschaften wie Lernfähigkeit, Offenheit für Veränderungen sowie Motivation.

 


„Schon immer waren es die erfolgreichen Menschen, die sich an die Umwelt adaptiert und diese gestaltet haben.“

Martin Kersting, Professor für Psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.


Wie lässt sich die Ausprägung des digitalen Mindsets messen?
Kersting: Das digitale Mindset zu messen, ist komplex, aber nicht unmöglich. Bei lebensälteren Bewerberinnen und Bewerbern lässt es sich recht einfach aus ihrer Biografie ermitteln.

Wenn aus der Biografie hervorgeht, dass bisher alles Digitale und Neue gemieden wurde, dann kann man daraus auf das Mindset der Bewerberin oder des Bewerbers schließen. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung bei Berufseinsteigerinnen und -einsteigern, da ihre Biografien relativ ähnlich sind.

Was raten Sie einer Sparkasse, die bei der Berücksichtigung digitaler Kompetenzen im Personalauswahlprozess noch am Anfang steht?
Kersting: Ich würde der Sparkasse raten, zunächst eine Anforderungsanalyse durchzuführen. Das sollten gerade auch die kleinen Sparkassen tun. Dazu sollte man sich zusammensetzen und definieren, was die Person genau können soll.

Soll sie zum Beispiel mit Kundinnen und Kunden über digitale Medien kommunizieren, soll sie als Führungskraft remote ein Team führen oder soll sie etwas programmieren? Diese Fragestellungen zu klären, ist ein absolutes Must-have. Der nächste Schritt besteht dann darin, die Herausforderungen, die die Bewerberin oder den Bewerber später im Berufsleben erwarten, an einer konkreten Aufgabe zu simulieren.

Dies kann beispielsweise anhand von simulierten Kundengesprächen über eine Videokonferenz oder eine Messenger-Funktion stattfinden, um auch den digitalen Kontext abzubilden.

Welche Möglichkeiten nutzt die Berliner Sparkasse, um digital affine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren?
Wiesinger: Wir als Sparkasse müssen uns die Frage stellen, was die sodann eingestellte Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter bei uns hinsichtlich der Digitalisierung erleben kann. Es bringt nichts, auf dem Stellenmarkt eine Organisation darzustellen, die Mitarbeitende, wenn sie im Job angekommen sind, nicht wiederfinden.

 


„Es bringt nichts, auf dem Stellenmarkt eine Organisation darzustellen, die Mitarbeitende, wenn sie im Job angekommen sind, nicht wiederfinden.“

Manfred Wiesinger, Bereichsleiter Medialer Vertrieb, Marketing und Innovationen der Berliner Sparkasse.


Bei der Frage, wie wir uns präsentieren und unsere Bewerber rekrutieren, sollten wir also authentisch bleiben. Nur auf diese Weise können wir die richtigen Mitarbeitenden für das, was die Sparkasse bereit ist, an Digitalisierung umzusetzen, rekrutieren. Bei der Berliner Sparkasse nutzen wir vor allem klassische Instrumente im Personalauswahlverfahren.

Beispielsweise schreiben wir Stellen intern im Mitarbeiternetzwerk aus. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass Mitarbeitende andere Mitarbeitende werben. Extern bedienen wir uns moderner Portale wie Stepstone, über die die Bewerberinnen und Bewerber ihre Unterlagen digital einreichen können. 

Im Birds Nest, dem Innovationslabor der Berliner Sparkasse, sind jedoch andere Profile als im klassischen Sparkassen-Kontext gefragt. Inwiefern sind Sie im Einstellungsprozess neue Wege gegangen?
Wiesinger: Wir wollten eine hierarchiefreie Arbeitsgruppe haben. Damit war relativ schnell klar, dass wir auch in der Personalrekrutierung neue Wege beschreiten. Zunächst haben wir im Intranet die Idee, Arbeitsweise und Ziele des Birds Nest beworben und die Kolleginnen und Kollegen dazu aufgefordert, sich zu bewerben.

Dabei haben wir wenige Vorgaben gemacht, aber eindeutig betont, dass wir keine klassische Bewerbung wünschen. Wir haben daraufhin sehr kreative Bewerbungen wie Videos, Basteleien oder erzählte Märchen erhalten. Aus diesem breiten Set an Bewerbungen haben wir eine Vorauswahl an Kandidatinnen und Kandidaten getroffen, die wir zu einer eintägigen Simulation des Birds Nest eingeladen haben.

An diesem Tag haben wir dann zum Beispiel Prototyping oder Problemlösungs-Workshops durchgeführt. Ich war wirklich überrascht, wie viel Kreativität in unserer Sparkasse steckt, wenn man die Mitarbeitenden dazu ermuntert, sich zu zeigen. Anschließend haben wir dann noch persönliche Gespräche geführt, um festzustellen, ob man zueinander passt. Mit diesem Verfahren haben wir letztendlich sehr passende Mitarbeitende rekrutiert, die auch das entsprechende Mindset mitbringen.

 


Die Fragen sind dem Podcast des DSGV-Projekts „Digitale Agenda 2.0“ entnommen. In Anlehnung an die 18 Leitsätze der „Digitalen Sparkasse der Zukunft“ kommen in 18 Folgen Vertreter der gesamten Sparkassen-Finanzgruppe zu Wort und tauschen sich zu Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in Sparkassen aus.

In Folge 17 tauschten sich Prof. Dr. Martin Kersting und Manfred Wiesinger zu Leitsatz 17 („Personalauswahl“) aus.


Alle Folgen und Infos zum Abonnement des Podcasts in Streaming-Apps finden Sie unter „Digitale Agenda 2.0 – Podcast“.

Fragen? digitalisierung@dsgv.de.

 

Julia Karlstetter, DSGV
– 5. Mai 2021